Beweggründe

Vor langer Zeit, am 29. Juli 1997, habe ich dem Kreiswehrersatzamt Würzburg meine Beweggründe dargelegt, warum ich den Dienst an der Waffe verweigern und statt dessen den Wehrersatzdienst, auch Zivildienst genannt, ableisten möchte:

Ich habe mich nach gewissenhafter und gründlicher Überlegung dazu entschlossen, den Kriegsdienst unter Berufung auf Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes zu verweigern. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, welche Gründe mich zu dieser Entscheidung bewogen haben.

Von meinen Eltern bin ich überzeugend zur Gewaltlosigkeit erzogen worden und in einem Umfeld aufgewachsen, in dem dieses Ziel der oberste Grundsatz war und ist. Probleme und Konflikte wurden nicht mit Schlägen, sondern in Gesprächen gelöst. Wir setzten uns zusammen und versuchten, eine Lösung in Form eines Kompromisses zu finden. Geprägt hat mich auch die religiöse Erziehung, die mir zuteil wurde.

Die Diskussionen im Religionsunterricht und v.a. die Tätigkeit in einer Ministrantengruppe festigten meine Einstellung, daß Gewalt nicht der richtige Weg ist, um Konflikte zu lösen. In der gruppe, die ich seit drei Jahren mitleite, ist jegliche Gewalt und Aggression ein absolutes Tabuthema. Die, die am lautesten sind und sich am stärksten fühlen, sind im Unrecht und bekommen das auch zu spüren, indem sie über ihre Situation aufgeklärt werden. Der Grundsatz aus den Seligpreisungen in der Bibel, daß die „erniedrigt“ werden, die „stark“ sind, ist auch bei uns in der Gruppe eines der obersten Gebote. Alle haben den gleichen Status, damit das friedliche Miteinander in der Gruppe funktionieren kann.

Meiner Meinung nach kann Gewalt überhaupt nicht in Betracht gezogen werden, um Konflikte zu lösen, was zahllose Beispiele aus der Politik und dem privaten Bereich immer wieder belegen. Die vielen grausamen Kriege wie z.B. im ehemaligen Jugoslawien sind für mich das erschreckenste Beispiel und zeigen, zu welchen Greueltaten Menschen fähig sein können. Die furchtbaren Fernsehbilder mißhandelter und geschundener Kriegsopfer, die ich jeden tag in den Nachrichten sehen muß, schlagen mir manchmal auf den Magen. Mit diesen Bildern im Kopf weiß ich, daß ich dieses ungeheure Leid nicht weiter vermehren kann und darf. Mit der Schuld, einen Menschen getötet oder ihm eine schwere körperliche Behinderung zugefügt zu haben, könnte ich nur schwer leben, mein Gewissen wäre in allergrößter Not. Ich kann mir nicht vorstellen, nach einer solchen Tat so weiterzuleben wie zuvor.
Auch die Tatsache, im Krieg auf Befehl eines Vorgesetzten hin getötet zu haben, würde mich keineswegs entlasten. Dies nimmt mir zwar rechtlich gesehen die Schuld, doch mein Gewissen kann damit nicht entlastet werden. Zudem ist für mich persönlich mein Gewissen oberste Instanz und nicht ein eventueller Befehlsgeber, d.h. ich weiß nicht, ob ich im entscheidenden Moment auf einen anderen Menschen schießen könnte. Die Erinnerung an eine solche grausame Tat würde mich ein Leben lang belasten. Auch die Erzählungen meiner Großeltern über deren Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg haben mich in meiner Einstellung zur Gewaltlosigkeit bestärkt.
Viele meiner Verwandten mußten im Krieg kämpfen, mein einer Großvater wurde im Krieg tödlich verwundet, mein anderer wurde lebensgefährlich verletzt, ein Onkel kam schwer krank aus russischer Gefangenschaft heim.
Ebenso hat mich meine Facharbeit überzeugt, in der ich mich ausführlich mit den grausamen Schlachten in Stalingrad und El Alamein beschäftigt habe.

Ich fürchte mich, daß das Recht des Stärkeren herrscht, das „survival of the fittest“, das Darwin für die Tierwelt entwickelte, wenn wir nicht fähig sind, unsere Probleme in der Welt gewaltfrei und diplomatisch zu lösen. Daß die Ãœbertragung dieses biologischen Prinzips auf die Menschen fatal ist, hat uns Adolf Hitler auf grausame Weise mit dem Sozialdarwinismus gezeigt.

Abgesehen von diesen ethischen Überzeugungen kommt für mich persönlich mein Glaube an Gott und Jesus Christus hinzu, von dem ich geschaffen bin und dem ich eines Tages Rechenschaft ablegen muß. Nie könnte ich den Gebrauch von Gewalt rechtfertigen, schon gar nicht die schlimmste Form, die des Tötens menschlichen Lebens.

Für mich würde selbst bei einem persönlichen Erzfeind die Würde des menschlichen Lebens höher stehen als die eigenen Haßgefühle, auch wenn diese manchmal schwer zu unterdrücken sind, aber dazu muß man sich als Christ im Alltag eben zwingen. Nicht nur durch Vorbilder aus meinem privaten Umfeld, sondern auch durch berühmte Persönlichkeiten wie z.B. die Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow und Willy Brandt wurde ich in meiner Einstellung bestärkt.

Das wichtigste Beispiel setzen für mich jedoch die Worte und Taten Jesu Christi. Das Gebot von der Nächstenliebe und das Verbot des Tötens stehen in krassem Gegensatz zu jeder Form von Gewalt. Christus versuchte, seine Apostel von Frieden, Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit zu überzeugen, anstatt seine zahlreichen Widersachen zu töten. Lieber starb er selbst für seine Ãœberzeugungen, als dafür anderen Leid zuzufügen. Das alttestamentarische Prinzip der Vergeltung im Sinne des bekannten Leitworts „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ersetzte er durch eine neue, radikal pazifistische Botschaft. Im theologischen Sinn ist es ein Zielgebot, d.h. eine Idealvorstellung, die „linke Wange hinzuhalten, wenn dir einer auf die rechte Wange schlägt“. Darauf will ich zumindest hinarbeiten. Dieses wegweisende Ziel einer absoluten Friedfertigkeit, das Jesus Christus selbst uns gesetzt hat, ist für mich als gläubigen Christen das wesentliche Ziel meiner Entscheidung gegen den Wehrdienst.

Da ich mir jedoch meiner Pflichten als Staatsbürger bewußt bin, will ich meinem Gewissen folgen und mich dennoch verantwortungsvoll in den Dienst für unsere Gesellschaft stellen. Deshlab freue ich mich auf den Zivildienst und möchte Sie höflich bitten, meine Wehrdienstverweigerung anzuerkennen.

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