Bei uns in Würzburg wurde letztes Jahr abgestimmt, ob die Arcaden gebaut werden oder nicht, das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. In Oberammergau waren die 4000 Wahlberechtigten gestern aufgerufen, in einem Bürgerentscheid darüber abzustimmen, ob die weltberühmten Passionsspiele im Jahr 2010 erstmals später beginnen sollen und die Kreuzigung so nicht mehr bibelgetreu um die neunte Stunde – das ist nachmittags um drei – stattfände oder ob alles beim Alten bleiben soll. Regisseur Christian Stückl, der die Spiele 2000 neu inszenierte, möchte in drei Jahren nämlich Licht und Dunkelheit für die dramaturgische Ausgestaltung nutzen, etwa 600 Bürger wehrten sich aber hartnäckig gegen dieses Vorhaben und machten es zum emotionalen Politikum. Ganz unbürokratisch kam es zum demokratischen Akt, der mehrheitlich zugunsten einer Verlegung in die Abendstunden entschied; übrigens nicht die erste Abstimmung im Rahmen der Passionsspiele. Es wird jetzt nicht mehr mittags um zwölf gegessen und um drei gestorben, sondern das Abendmahl findet in den frühen Abendstunden statt und zur Kreuzigung kann wie geplant die Finsternis aus Mk 15,33 hereinbrechen. Ich habe die Debatte in den letzten Wochen mit Spanung verfolgt und fände es persönlich toll, wenn ich mir die Oberammergauer Passionsspiele auch einmal anschauen könnte. Wenn nicht 2010, dann vielleicht 2020, im gesetzten Alter von 42.
Ein bisschen merkwürdig lesen sich meines Erachtens die Einwände der Bedenkenträger: Die Vermieter in Pensionen hätten mehr Arbeit, wenn die Gäste erst spät zurückkämen. Aha, alle zehn Jahre ist das schon ein echtes Hindernis in einem Fremdenverkehrsort, seinen Gästen auch am späten Abend einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten. Noch nicht einmal die auch in Würzburg gern geschwungene Traditionskeule hat dieses Mal etwas bewirkt. Nur weil unsere Vorfahren jahrhundertelang etwas gemacht haben, muss das doch nicht bis in alle Ewigkeit so weitergehen. Also ehrlich! Der Ruf nach der Tradition ist oft nichts anderes als die Angst vor einer Veränderung. Es muss ja nicht für immer sein. Und wieso sollen die Gäste weniger Zeit für einen Einkaufsbummel im Ort haben, wenn die Aufführung von 14.30 Uhr bis 22.30 Uhr dauert, als wenn das Ganze um halb zehn am Morgen beginnt und um halb sechs endet? Verstehe ich nicht! Muss ich aber auch nicht. Jetzt ist das auch zu Ende. Bei uns geht es ja vielleicht nach dem 02.Dezember schon wieder los.
hast du irgendwo eine kontaktadresse nach oberammergau. ich hätte nämlich einen prima vorschlag. die kreuzigung muss um 13 uhr (oder irgendwas in dem dreh) passieren, wenn man das alles original haben will. es sind ja zwei (da bin ich mir nicht sicher) stunden zeitunterschied . ich glaube das wenigstens, oder wurde jesus doch in altbayern gekreuzigt? denen traue ich alles zu.
An diese Möglichkeit habe ich noch nicht einmal gedacht! Hast du die MESZ bedacht, die es damals noch nicht gab. Denke daran, dass die Spiele im Mai losgehen, da ist schon vorgestellt!
Ich schreibe jetzt mal wieder Großbuchstaben. Das ist doch sonst stillos. Ich habe an MESZ gedacht, an en Unterschied zwischen Julianischem und Gregorianischem Kalender und vor allem daran, dass das ganze Stück dann nur einmal aufgeführt werden kann, nämlich am Freitag vor dem Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Die Formel für den korrelten Spielbeginn werde ich noch ausarbeiten und dann in Oberammergau an die Stadtmauer pinseln – 100 Mal. Es gibt nur eine Kleinigkeit, die mir echt Gedanken macht: Der Hauptdarsteller muss es dann schon ziemlich drauf haben, wenn das ganze Spektakel wirklich realitätsnah sein soll.